Genre-Klarheit

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Genre-Klarheit ist eines der Kriterien, die für einen erfolgreichen Fernsehfilm gemäß dem internen Papier vom ARD-Fernsehfilm-Koordinator Jürgen Kellermann (NDR) vom Mai 2000 festgelegt worden sind. Acht Punkte zur "Optimierung der Produktionen im Bereich Fersehfilm/Hauptabendserie" und weitere Vorgaben als Anhang wurden angesetzt, um gegen die sinkenden Quoten Maßahmen zu formulieren. Das Papier wurde umstritten diskutiert und ist als die sogenannte "Süßstoffdebate" in den Medien bekannt. Das sich in den dargestellten Kriterien manifestierende Verständnis von 'gutem' Film und öffentlich-rechtlicher Programmplanung ist zweifelsohne sehr fragwürdig. Laut Kellermeier aber ist es damals in der Konferenz der Programmdirektoren "zustimmend zur Kenntnis genommen worden"[1].

Der gesamte Text, veröffentlich in der "Welt" am 01.09.2000, lautet folgendermaßen:


Acht Punkte zur Optimierung der Produktionen im Bereich Fernsehfilm/Hauptabendserie (Im Zuge der Debatte wurde das Wort "Alibi-Projekte" (Punkt sechs) gestrichen.)

1. Konsequente Orientierung an den Sendeplatzbeschreibungen fur die Hauptabend-Termine (Sonntag, 20.15 Uhr, Dienstag,.20.15 Uhr; Mittwoch, 20.15 Uhr) einschließlich der Reichweitenziele.

2. Konsequente Orientierung an den vereinbarten Vorgaben und Erfolgskriterien (vgl. Anlage 2). Die Vorgaben sind zugleich die Maßstabe fur die Qualität der Filme.

3. Konsequente Kontrolle und Durchsetzung der Vorgaben, Kriterien und durch die zustandigen Redaktionen in allen Stufen der Planungs­und Produktionsprozesse -ebenso durch die Koordination Fernsehfilm.

4. Gewährleistung der ausreichenden Finanzierung durch alle Häuser: Für 100 Erst-Sendetermine pro Jahr sind bei 2,5 bis 3 Millionen pro Film ca. 250 bis 300 Millionen Mark erforderlich (auf die Häuser nach Quoten zu verteilen).

5. Gewahrleistung der Zulieferungen aus den Hausern nach Maßgabe der Zulieferquote.

6. Die ARD sollte – wie das ZDF sehon seit langem – auf Alibi-Projekte verzichten, bei denen von vornherein absehbar ist, dass sie das lnteresse des großen Primetime-Publikums nicht finden werden. Projekte, die voraussichtlich von mehr als 90 Prozent der Zuschauer nicht gesehen werden, sollen für das Hauptabendprogramm nicht in Betracht gezogen werden. Der Qualitätsanspruch darf nicht von dem Ziel, ein breites Millionenpublikum zu gewinnen, getrennt werden. Die optimale Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages erweist sich nicht in der Minimierung des Zuschauerinteresses.

7. Verbesserung der Voraussetzungen für die Beschaffung/Produktion von attraktiven Mehrteilern: Einrichtung einer Gemeinschaftsredaktion und eines Gemeinschaftsetats. Der Etat sollte für 2 bis 3 Mehrteiler (mit drei oder vier Folgen) bei ca. 30 Millionen Mark pro Jahr liegen.

8. Verbesserung der Promotion und der Bewerbung der aufwendigen fiktionalen Produktionen (u.a. durch verstärkten Einsatz von Trailern und Programmhinweisen und durch lntensivierung von Werbemaßnahmen).


Anlage 2

In der Koordination Fernsehfilm vereinbarte Vorgaben und Erfolgskriterien für Fernsehfilme

1. Geschichte/Stoff: Attraktiv, unterhaltsam und/oder interessant/relevant (möglichst Generationen übergreifend).

2. Erzählweise: Durchgängige Verständlichkeit; unkompliziert, einfach, klar, auf keinen Fall verwirrend; an den Menschen, nicht nur an den Themen orientiert. Entscheidende Bedeutung des Anfangs: Ein schlechter, misslungener, komplizierter oder verwirrender Anfang verdirbt den gesamten Film.

3. Titel: Einladend, anziehend, mit attraktivem und interessantem Assoziationsfeld.

4. Emotionalität

5. Sympathieträger: Zumindest eine Figur muss Träger von Sympathie und/oder Mitleid der Zuschauer sein.

6. Stars: Hauptdarsteller mit möglichst hohem Bekanntheitsgrad.

7. Milieu: Attraktiv, zumindest interessant, nicht abstoßend.

8. Genre-Klarheit: Keine Vermischung der Genres.

9. Vermeidung von Negativ-Kriterien: z.B. Exzessive Gewaltdarstellungen, Lehrhaftigkeit,­vermeintlicher und verquaster Tiefsinn; Unverständlichkeit, übertriebene formale Spielereien, Untertitelungen, komplizierte, unverständliche und unattraktive Anfänge.


Weiterführende Literatur und Links

Tittelbach, Rainer: Zucker für die "Süßstoff-Debatte"?, Hamburger Abendblatt, 18.10.2000, http://www.abendblatt.de/archiv/2000/article204410979/Zucker-fuer-die-Suessstoff-Debatte.html

Tittelbach, Rainer: Das ABC der ARD, Die Welt, 01.09.2000, https://www.welt.de/print-welt/article531185/Das-ABC-der-ARD.html

Friederici,Michael: Wer hat Angst vor Serientätern, Filmpolitischer Informationsdienst Nr. 230, Dezember 2012/Januar 2013,http://www.blackbox-filminfo.de/2013/01/15/wer-hat-angst-vor-serientaetern/

Genre - diskursives Potential

Einzelnachweise

  1. Die Welt: Das ARD Papier zum 50.Geburtstag, 1.9.2000, https://www.welt.de/print-welt/article531331/Das-ARD-Papier-zum-50-Geburtstag.html